Öffentlichkeitsbeteiligung in Zeiten von Corona - ein Erfahrungsbericht
Stadt Köln
Es hatte sich zwar bereits einige Zeit angekündigt, als die städtische "Allgemeinverfügung zur Untersagung von Veranstaltungen im Kölner Stadtgebiet" im März 2020 aber tatsächlich in Kraft getreten ist, wird sie bei den meisten von uns erst einmal zu mehr oder minder großer Ratlosigkeit geführt haben. Mit einem Schlag kam das öffentliche Leben in Bezug auf Versammlungen jedweder Art zum Erliegen. Allein der Veranstaltungskalender im städtischen Mitwirkungsportal, der ausschließlich Termine umfasst, die sich dem Thema "Öffentlichkeitsbeteiligung" widmen, musste um 21 Einträge ausgedünnt werden. Darunter befanden sich auch Sitzungen der Pilotgremien für die Systematische Öffentlichkeitsbeteiligung Ausschuss für Umwelt und Grün sowie Bezirksvertretung Nippes, aus deren Beschlüssen sich normalerweise unsere Projekte generieren. Nun war guter Rat teuer. Wie sollte Öffentlichkeitsbeteiligung quasi ohne Öffentlichkeit funktionieren? Hinzu kamen die Einschränkungen bei der gemeinsamen Nutzung von Büros, der Durchführung von Besprechungen und Workshops et cetera. Letztgenannte Probleme konnten glücklicherweise schnell gelöst werden, da die Stadt Köln in Bezug auf Heimarbeit (Neudeutsch: Homeoffice) gut aufgestellt ist, und selbst Technikscheue den Schwenk zu Telefon- und Videokonferenzen erstaunlich souverän gemeistert haben.
Viel schwieriger gestaltete sich hingegen die Planung und Umsetzung der laufenden Projekte. Da bei diesen die Öffentlichkeitsbeteiligung in der Regel ein Baustein eines engen Zeit-/Maßnahmenplans ist, an dessen Ende die Umsetzung des Vorhabens steht, kann man sie nicht einfach auf unbestimmte Zeit aussetzen. Auch ein Verzicht würde zumindest den berechtigten Unmut der Bürgerinnen und Bürger heraufbeschwören und zudem dem Selbstverständnis des Büros für Öffentlichkeitsbeteiligung völlig widersprechen. Was also tun? Am Beispiel des Pilotprojekts zum Thema Stadtplanung „Quartiersplatz Am Salzmagazin“ will ich kurz aufzeigen, welchen Weg wir aus dieser Misere gewählt haben.
Nachdem die Bezirksvertretung Innenstadt in ihrer Sitzung vom 27. April 2020 ein dreistufiges Beteiligungsverfahren für den "Quartiersplatzes Am Salzmagazin" beschlossen hatte, galt es primär, die im Beteiligungskonzept vorgesehene Auftaktveranstaltung durch geeignete alternative Formate zu ersetzen. Die Veranstaltung sollte dazu dienen, die aktuelle Situation des Platzes zu erläutern sowie Ideen und Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger für eine Neugestaltung zu sammeln. In Zusammenarbeit mit dem Stadtplanungsamt als Fachamt wurde schließlich eine Kombination mehrerer Maßnahmen über einen Zeitraum von vier Wochen beschlossen: Digitale Meinungsäußerung als Online-Dialog auf dem städtischen Mitwirkungsportal und aufsuchende Beteiligung in Form von direkter Ansprache der Anwohnerinnen und Anwohner. Dazu wurden Faltblätter kreiert, die die wichtigsten Informationen zum Projekt enthielten, und diese vor Ort sowohl in die Briefkästen als auch direkt an Passantinnen und Passanten verteilt. Teil des Faltblattes war eine Antwortpostkarte, auf der Interessierte schnell und unkompliziert, wahlweise auch mit Markierung auf einem Lageplan, konkrete, kurze Anregungen notieren und an uns absenden konnten. Für umfangreichere Ideen mit Anlagen wie Bildern, Konzepten, Verweisen auf ähnliche Projekte in anderen Städten etc. war demgegenüber eher die digitale Beteiligung per Online-Dialog oder E-Mail geeignet. All das wurde flankiert von ergänzenden Maßnahmen wie einem großen Hinweisbanner an der derzeitigen Baustelle Am Salzmagazin, Informationen in den Sozialen Medien, Presseartikeln und der aktiven Einbindung von Bürgervereinen vor Ort.
Es hat sich schnell gezeigt, dass vor allem die Präsenz im Viertel für einiges Aufsehen gesorgt hat. Das war man wohl so nicht gewohnt. Gerade die tägliche Anwesenheit mehrerer Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sowie das offensichtlich problemlose Zusammenspiel der Kölner Freiwilligen Agentur e. V., des Büros für Öffentlichkeitsbeteiligung, des Stadtplanungsamtes sowie ehrenamtlich Engagierter vor Ort versetzte durchaus in Erstaunen und verdeutlichte das ernsthafte Interesse an den Ideen der Bürgerinnen und Bürger über oft hemmende Institutionsgrenzen hinaus. Im Rahmen vieler Gespräche wurde zudem klar, dass ein solches Projekt stets im Kontext seines Umfeldes gesehen werden muss. Es reicht nicht aus, einen neu zu gestaltenden Platz völlig separat zu betrachten und sich mit einem positiven Akzent zufrieden zu geben. Vielmehr muss die Gesamtsituation eines Viertels betrachtet und ein solches Projekt als Chance gesehen werden, positiv in die Umgebung zu wirken.
Nach einer ersten Zwischenbilanz (die Beteiligungsphase war beim Schreiben dieses Artikels noch nicht beendet) kann dieses Maßnahmenpaket bereits jetzt als Erfolg angesehen werden. Sowohl die Anzahl als auch die Qualität und Vielfalt der eingebrachten Vorschläge und Ideen hat uns alle überrascht. Hinzu kam ein enorm informativer Austausch mit der Bürgerschaft vor Ort und dabei vor allem mit denen, die ansonsten derartige Prozesse eher still und desinteressiert an sich vorüberziehen oder maximal zu einem "Ihr macht doch eh, was ihr wollt!" hinreißen lassen. Die große Herausforderung wird nun sein, dieses Füllhorn an Vorschlägen zu sichten, zu sortieren und zu gewichten sowie abschließend in einen Planungsentwurf einfließen zu lassen, in dem sich möglichst viele Ideengeberinnen und -geber wiederfinden können (und der übrigens auch noch einmal von allen beurteilt werden kann).
Damit keine falschen Erwartungen geweckt werden: Es ist völlig klar, dass ein solcher Aufwand, wie er in diesem Fall betrieben wurde, keinesfalls bei allen zukünftigen Projekten der Systematischen Öffentlichkeitsbeteiligung Standard werden kann. Wir befanden und befinden uns in einer besonderen Situation, die besondere Maßnahmen erforderte, und aus der wir versucht haben, das Beste zu machen. Allen, die bislang daran mitgewirkt haben, und das auch weiterhin tun werden, gilt mein besonderer Dank.
Abschließend möchte ich betonen, dass bei sämtlichen Maßnahmen der aufsuchenden Beteiligung die besonderen Regeln zur Verhinderung einer Ausbreitung des Corona-Virus beachtet wurden. Das betrifft vor allem die Abstandsregeln, das Tragen von Mund- und Nasenschutz beim Betreten von Geschäften, Restaurants et cetera sowie das umgehende Auflösen größerer Ansammlungen von Interessierten.
Carsten Gruss, Büro für Öffentlichkeitsbeteiligung