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Kölns erster Bürgerrat - Erprobung des Formats

Auf dem Bild ist der Auftakt des ersten Kölner Bürgerrates in der Piazzetta das Historischen Rathauses Köln zu sehen. Frau Oberbürgermeisterin Reker begrüßt die Mitglieder des Bürgerrates.

Erprobung des Formats Bürgerrat

Mitglieder des Bürgerrates

Auf dem Bild sind die Mitglieder des Bürgerrates gemeinsam mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker in der Piazzetta des Historischen Rathauses Köln zu sehen.

Bürgerräte als Beteiligungsformat sind eng mit der Zufallsauswahl ihrer Mitglieder verknüpft. Zielsetzung ist eine vielfältige Zusammensetzung der Teilnehmer*innen. Dieser Anspruch lag auch dem Bürgerrat “Mobil im lebenswerten Quartier” zugrunde.

Um die Vielfalt der Kölner Stadtbevölkerung abzubilden, wurden die Teilnehmer*innen über eine kriterienbasierte Zufallsauswahl rekrutiert. Vorgesehen war eine Bürgerratsgröße von 55 bis 60 Personen. 60 Personen erhielten eine Zusage, wobei aufgrund von Erfahrungswerten aus anderen Bürgerräten davon auszugehen war, dass einige trotz vorheriger Anmeldung nicht erscheinen würden. Tatsächlich nahmen am Bürgerrat schließlich 55 Personen regelmäßig teil. 

Zusammensetzung des Bürgerrates

Der Bürgerrat sollte die Kölner Stadtbevölkerung hinsichtlich soziodemografischer Kriterien möglichst gut widerspiegeln. Die folgenden Kriterien wurden vor Beginn der Zufallsauswahl festgelegt:

  • Wohnort: Stadtbezirk
  • Altersgruppe: 16 bis unter 18 Jahre / 18 bis unter 30 Jahre / 30 bis unter 45 Jahre / 45 bis unter 60 Jahre / 60 und älter
  • Geschlecht: Mann / Frau / Divers
  • Höchster berufsqualifizierender Abschluss: Kein Abschluss / abgeschlossene Berufsausbildung / Hochschulabschluss
  • Haushaltsform: 1-Personenhaushalt, Mehrpersonenhaushalt, Haushalt mit Kind(ern), Seniorenhaushalte
  • Migrationshintergrund: Ja / Nein
  • Verkehrsverhalten: Mit welchem Verkehrsmittel sind Sie innerhalb der Stadt am häufigsten unterwegs? Auto / ÖPNV / zu Fuß / mit dem Fahrrad

 

Das Merkmal „Mensch mit Behinderung“ wurde bei der Zufallsauswahl nicht explizit berücksichtigt. Im Einladungsschreiben wurde jedoch hervorgehoben, dass Menschen mit Behinderung ausdrücklich willkommen wären und Unterstützungsangebote erhalten würden. Zusätzlich konnten Menschen mit Behinderung über Multiplikator*innen gezielt eingeladen werden.

Rekrutierung der Teilnehmer*innen

Die Rekrutierung der Teilnehmer*innen erfolgte in mehreren Schritten:

1. Einladung der Kölner*innen auf zwei Wegen

a) per Brief: Eine Stichprobe von 7.000 Personen wurde aus dem Melderegister gezogen. Dabei erfolgte bereits eine Quotierung entlang der Kriterien Geschlecht, Wohnort und Alter. Da sich junge Menschen erfahrungsgemäß seltener zurückmelden, wurden Personen zwischen 18 und unter 30 Jahren bei der Ziehung aus dem Melderegister überproportional berücksichtigt. Ebenso überproportional berücksichtigt wurden Personen aus dicht besiedelten Stadtteilen. Die ausgewählten Personen wurden per Brief zur Teilnahme am Bürgerrat eingeladen. Der Brief wurde in einfach verständlicher Sprache verfasst. Es wurde darauf hingewiesen, dass Teilnehmer*innen Unterstützung bekommen, wenn sie diese benötigen. So konnten verschiedene Barrieren abgebaut werden. Es gab einen gesonderten Hinweis, dass auch Sprachmittler*innen eingesetzt werden konnten.

b) über Multiplikator*innen: Über die Einladung per Brief wurden bereits viele Bürger*innen jenseits der Menschen, die sich bereits regelmäßig engagieren, erreicht. Dennoch gibt es bestimmte Gruppen, die auch auf diesem Wege nur schwer erreicht werden und in öffentlichen Debatten meistens nicht ausreichend Gehör finden. Dazu zählen beispielsweise Menschen mit Armutserfahrungen, niedrigem Einkommen, eingeschränktem Bildungszugang, Migrationshintergrund oder Behinderung. Um sicherzustellen, dass auch diese „stillen Gruppen“ angemessen im Bürgerrat repräsentiert werden, wurde ein Teil der Teilnehmer*innen über Multiplikator*innen eingeladen. 

 

2. Registrierung der interessierten Kölner*innen 

Die per Brief oder über Multiplikator*innen eingeladenen Personen konnten online auf dem Beteiligungsportal der Stadt ihr Interesse an einer Teilnahme am Bürgerrat registrieren. Dabei machten sie Angaben zu ihrem soziodemografischen Hintergrund. Um das Registrierungsverfahren möglichst inklusiv und niedrigschwellig zu gestalten, bestand zusätzlich die Möglichkeit, sich über einen Rückmeldebogen per Post zu registrieren. Insgesamt gab es über die verschiedenen Wege circa 1.400 Anmeldungen für die Teilnahme am Bürgerrat. Damit lag die Rückmeldequote mit knapp 20 % deutlich über der aus Erfahrungen erwarteten Rückmeldequote von fünf bis zehn Prozent. 

 

3. Auswahl der Teilnehmer*innen 

Aus den eingegangenen Rückmeldungen wurden die 60 Teilnehmer*innen anhand der zuvor festgelegten Kriterien ausgewählt. Die Personen, die über Multiplikator*innen eingeladen wurden, wurden bei der Zufallsauswahl zuerst berücksichtigt. 

 

4. Versand der Bestätigungsmails 

Die 60 ausgewählten Teilnehmer*innen erhielten per Mail oder Brief eine Zusage für ihre Teilnahme am Bürgerrat. Alle weiteren Personen erhielten den Hinweis, dass sie zunächst nicht würden teilnehmen können, aber weiterhin im Pool möglicher Nachrücker*innen waren. Infolge einiger Absagen wurden auf diesem Wege insgesamt acht Personen nachrekrutiert.

Arbeitsweise im Bürgerrat

Auf dem Bild ist eine Kleingruppe am zweiten Sitzungswochenende des Bürgerrates zu sehen. Sie erarbeiten Maßnahmen auf Quartiersebene. Es sind zehn Mitglieder des Bürgerrates sowie zwei Moderatorinnen zu sehen.

Im Bürgerrat kamen Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen zusammen und begegneten sich dort zum ersten Mal. 

Für eine gelingende Zusammenarbeit war es wichtig, den Teilnehmer*innen einen Rahmen zu bieten, in dem sie sich sicher, respektiert und gehört fühlen. Gleichzeitig sollte der Bürgerrat in der Lage sein, innerhalb der vorhandenen Zeit zu einem für alle Beteiligten zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen. 

 

Diese zwei Prioritäten bildeten wichtige Leitlinien für die Entwicklung der Methodik des Bürgerrates.

Regeln der Zusammenarbeit

Zum Auftakt der ersten Sitzung erhielten die Teilnehmer*innen die Gelegenheit, eigene Regeln für die Zusammenarbeit und den Umgang miteinander aufzustellen. Das Ergebnis wurde an einer Pinnwand dokumentiert und bei allen folgenden Sitzungen sichtbar im Raum aufgestellt.

Auf dem Bild ist eine Metaplanwand zu sehen, auf welcher die Gesprächsregeln festgehalten sind.

Formate und Methoden

Auf dem Bild sind die Mitglieder des Bürgerrates bei einem Aufstellungsspiel zu sehen. Sie befinden sich in Piazzetta des Historischen Rathauses Köln.

Die Arbeit im Bürgerrat wurde mit einer Vielfalt an Methoden abwechslungsreich gestaltet. Die gewählten Methoden dienten unterschiedlichen Zwecken: Während zu Beginn der Arbeit die Wissensvermittlung und Reflexion im Vordergrund standen, verlagerte sich der Fokus nach und nach auf die Diskussion – oder, genauer, Deliberation (siehe unten). Zudem erhielten die Teilnehmer*innen zum Auftakt die Gelegenheit, sich kennenzulernen und sich mit der Arbeitsweise im Bürgerrat vertraut zu machen.

 

Zu den verwendeten Methoden und Formaten gehörten ein Kennenlernen, eine Namensrunde, ein Aufstellungsspiel sowie wechselnde Kleingruppen

Training

Demokratie passiert nicht von allein. Sie ist darauf angewiesen, dass alle Beteiligten dieselben Spielregeln anerkennen und verstehen, wo und wie sie einen konstruktiven Beitrag leisten können. Dazu wurden am ersten Abend einige Übungen angeboten – die gleichzeitig auch zum Kennenlernen beitrugen.

Einführung

Was genau ist ein Bürgerrat? Wofür investieren wir alle unsere Freizeit? Was ist unser gemeinsames Ziel und wie können wir es erreichen? Diese wichtigen Fragen wurden am Anfang anschaulich beantwortet, um eine gemeinsame Basis zu schaffen. 

Gesprächsregeln

Wie oben dargestellt konnten alle Teilnehmer*innen Vorschläge machen, wie sie gerne zusammenarbeiten würden. 

Gesprächstypen

In einem Gruppenprozess steckt viel Psychologie. Hier wurden den Teilnehmer*innen einige typische Profile vorgestellt, wie verschiedene Menschen sich in Diskussionen verhalten. Anschließend wurden sie eingeladen, sich selbst einzuschätzen und sich mit ihren Sitznachbar*innen darüber auszutauschen.

Input durch Expert*innen

Die Mitglieder des Bürgerrates verfügen über Erfahrungen und Wissen über die Realität in ihren Quartieren. Sie sind somit die „Expert*innen vor Ort“. 

Ziel der Einbindung von Expert*innen in Bürgerräten ist es, den Teilnehmenden wichtiges Fachwissen zu vermitteln. Durch Beiträge von Expert*innen erhalten die Mitglieder Zugang zu Fakten und verschiedenen Perspektiven auf diese Realität. So können sie sich ein eigenes Urteil über Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze bilden. Im Bürgerrat “Mobil im lebenswerten Quartier” erfüllten die Expert*innen zwei Rollen: Sie boten als Inputgeber*innen eine Einführung in die Thematik und unterstützen die Teilnehmer*innen zum Teil während der Kleingruppendiskussionen auf Nachfrage mit ihrem Fachwissen.

 

Folgende Expert*innen waren am Bürgerrat beteiligt: 

Barbara Pauli, Mobilitätsplanerin im Amt für nachhaltige Mobilitätsentwicklung der Stadt Köln › Input: “Der nachhaltige Mobilitätsplan” (Sitzung 1)

Anne Klein-Hitpaß, Leiterin des Forschungsbereichs Mobilität beim Deutschen Institut für Urbanistik10 › Input: “Warum wir Mobilität in unseren Städten neu denken müssen” (Sitzung 1)

Prof. Dr. Roman Suthold, Dozent für Mobilitätsmanagement und Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Fresenius › Input: “Notwendiger Autoverkehr in Städten” (Sitzung 2)

Dr.-Ing. Peter Apel, Geschäftsführer des Planungsbüros STADTKINDER GmbH11 › Input: “Kinder und Jugendliche in der Verkehrs-/ Stadtplanung” (Sitzung 2)

Dr.-Ing. Alexander Rammert, Geschäftsführer von STRATMO12 › Input: “Vom Superblock zum Kiezblock – Hintergründe und Erfahrungen zu Superblock-Konzepten in Berlin” (Sitzung 2)

Clara Walther von der Initiative Winzerveedel13 und

Philipp Kahnert vom Superblock-Verband NRW14 und der Bürgerinitiative LebeVeedel15 › Input: Interview zu Praxisbeispielen aus Köln und NRW (Sitzung 2)

Dr. Raphael Karutz, Leitung des Stabstelle Bürgerbeteiligung der Bundesstadt Bonn › Input: “Bönnsche Viertel und Klimaviertel” (Sitzung 3)

Wissensvermittlung

Die inhaltliche Grundlagenarbeit wurde nicht nur durch Expert*innen geleistet. Die Teilnehmer*innen selbst konnten sich auf vielfache Weise einbringen. Gerade ihr Alltagswissen aus den Quartieren wurde zu einem wichtigen gemeinsamen Ausgangspunkt. 

Interviews

Anstelle von Vorträgen wurden einige Themen im Gespräch zwischen mehreren Personen vorgestellt. 

Q&A (Fragerunde)

Im Laufe der Sitzungen beteiligten sich immer mehr Personen mit Fragen und ließen neue Diskussionen entstehen. 

Exkursion

Für das Thema Straßenraumgestaltung war eine Begehung des umliegenden Quartiers ein wichtiger Faktor für die Veranschaulichung. 

Austausch mit Expert*innen

In den Kleingruppen kamen immer wieder Wissensfragen auf, zu denen die anwesenden Expert*innen wichtigen Kontext liefern konnten.

Reflexion

Bei so viel Information in so kurzer Zeit braucht es Raum und Zeit, diese zu verarbeiten. 

Stillarbeit

Zu Anfang einer neuen Thematik oder im Anschluss an einen Inputvortrag erhielten die Teilnehmer*innen mehrmals Zeit, sich einmal selbst Gedanken zu machen – mit Hilfe von Notizen, Zeichnungen oder einfach so. 

“Murmelgruppen”

Mancher Gedanke kommt erst, sobald er ausgesprochen wird. Da die Größe des Bürgerrates ein Hemmnis darstellt, eigene Gedanken sofort zu äußern, wurden „Murmelgruppen“ genutzt. In diesen konnten sich die Mitglieder mit ein bis zwei Personen austauschen, die in ihrem unmittelbaren Umfeld saßen. So konnten sich die Teilnehmer*innen zunächst leise miteinander austauschen und ihre Ideen sortieren. 

Zeit zwischen Sitzungen

Kein eigentliches Format, aber sehr wohl Teil der Methode: In den Wochen zwischen den Sitzungen konnten die Teilnehmer*innen das Gelernte und Erlebte sacken lassen, neuen Fragen nachgehen und neue Impulse in die nächste Sitzung mitbringen.

Deliberation

Das Kernstück der deliberativen Demokratie: Eine Diskussion, in der nicht alle sofort Recht behalten wollen, sondern ein Problem von verschiedenen Seiten beleuchten und gemeinsam versuchen, den Kern zu verstehen – um erst dann über Lösungen zu sprechen. 

Kleingruppenarbeit

Knapp die Hälfte der Zeit verbrachten die Teilnehmer*innen in Gruppen von 8 bis 10 Personen, in denen jede*r zu Wort kommen konnte. Dort wurde über konkrete Fragen gesprochen und ein Großteil der Empfehlungen formuliert. 

Modellarbeit

Stadtplanung ist ein großes Puzzle. In verschiedenen Arbeitsgruppen konnten die Teilnehmer*innen eigene Modelle einer Wohnstraße oder eines Quartiers zeichnen und bauen und anhand dessen die möglichen Zielkonflikte ausloten. 

Schlaglichter

Nicht jede Diskussion muss lückenlos für alle anderen Gruppen nacherzählt werden. In der Regel präsentierten die Teilnehmer*innen die wichtigsten Erkenntnisse aus ihren Kleingruppen. Dies war zugleich eine Hilfestellung für die einzelnen Gruppen, sich auf Prioritäten zu einigen. 

Galerie

Nicht jede*r Teilnehmer*in muss zu jedem Thema alles im Detail mitbekommen. In bestimmten Fällen hatten die Teilnehmer*innen die Wahl, sich näher mit den Ergebnissen derjenigen Gruppen zu beschäftigen, die sie besonders interessierten. 

Plenum

Bestimmte Fragen lassen sich nur gemeinsam beantworten. Zum Abschluss der Sitzungen, bei Vorträgen von Expert*innen und für den letzten Schliff an den (Teil-)Ergebnissen trafen sich die Teilnehmer*innen in der großen Runde.

Ablauf der Sitzungen

Der Bürgerrat “Mobil im lebenswerten Quartier” tagte zwischen dem 28. März und dem 11. Mai 2025 an drei Sitzungswochenenden und insgesamt fünf Tagen:

Auf der Grafik sind die drei Sitzungen des Bürgerrates dargestellt.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker eröffnete die erste Sitzung am 28. März, begrüßte die Teilnehmer*innen herzlich, stimmte sie auf ihre bevorstehenden Aufgaben ein und sprach ihren Dank für das große Engagement aus, mit dem sich die Mitglieder für ihre Stadt und die gemeinsame Sache einsetzen. 

Kölns Dezernent für Mobilität Ascan Egerer nahm zum Abschluss der dritten Sitzung am 11. Mai die Empfehlungen des Bürgerrates entgegen und bedankte sich bei den Teilnehmer*innen für die umfangreichen Arbeitsergebnisse und die gute Zusammenarbeit untereinander.

Der erste Kölner Bürgerrat in Bildern

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